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1. Neumühler Schaf- und Ziegentagung

26. 09. 2023

Erfolgreiche Umsetzung der 1. Neumühler Schaf- und Ziegentagung auf dem Hofgut Neumühle 

– ein Tag für die Halter von kleinen Wiederkäuern

 

Die Schaf- und Ziegenhaltung in Deutschland ist ein wesentlicher Bestandteil des ländlichen Raumes und der Kulturlandschaft. Obwohl Schafe und Ziegen im Vergleich zu Rindern, Schweinen und Geflügel in Deutschland eine geringere wirtschaftliche Rolle spielen, tragen sie durch ihre vielfältige Nutzung einen wichtigen Beitrag bei. Schafe und Ziegen werden vorrangig auf Weiden gehalten oder mit Graskonserven wie Silage oder Heu gefüttert. Dadurch verwandeln sie diese für den Menschen nicht verdaulichen Ausgangsprodukte in hochwertige Lebensmittel wie Fleisch und Wolle sowie Wolle und Felle. Ebenso bedeutsam ist ihre Rolle beim Schutz der Kulturlandschaft, einschließlich Naturschutzgebieten, Mooren und Heiden. Sie tragen zum Hochwasserschutz durch Beweidung von Auen und Dämmen bei und fördern die Biodiversität. Schafe und Ziegen sind äußerst genügsam, widerstandsfähig gegenüber klimatischen Bedingungen und gleichzeitig sehr geländegängig. Dadurch sind sie in der Lage, auch karge Landschaften und Grenzstandorte zu beweiden, auf denen eine Beweidung durch Rinder beispielsweise nicht mehr möglich ist. Die Haltung kleiner Wiederkäuer steht jedoch vor denselben großen Herausforderungen wie die Haltung anderer landwirtschaftlicher Tiere. Die Ansprüche an das Wohlergehen der Tiere steigen, das Risiko von Tierseuchen nimmt zu, und die Auswirkungen des Klimawandels sind auch bei kleinen Wiederkäuern spürbar. Um die Halter kleiner Wiederkäuer bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen, hat die Lehr- und Versuchseinrichtung Hofgut Neumühle beschlossen, gemeinsam mit dem Landesverband der Schafhalter/Ziegenhalter und Züchter Rheinland-Pfalz e.V. sowie dem Bundesverband Deutscher Ziegenzüchter e.V. (BDZ) eine gemeinsame Schaf- und Ziegentagung ins Leben zu rufen. Auf dieser Tagung werden aktuelle Themen der Schaf- und Ziegenhaltung behandelt, um Informationen und Erkenntnisse aus Forschung und Praxis für Halter und Interessierte zugänglich zu machen. Die Tagung wird jährlich am zweiten Samstag im September vor dem Neumühler Lammfest stattfinden.

 

Die 1. Neumühler Schaf- und Ziegentagung fand am Samstag dem 16.09.2023 am Hofgut Neumühle statt und wurde mit über 75 Teilnehmenden sehr gut besucht. Die Besucher wurden zu Beginn der Veranstaltung von Dr. Christian Koch, dem Einrichtungsleiter des Hofgut Neumühle, begrüßt, welcher in seiner Ansprache die Bedeutung der kleinen Wiederkäuer im Rahmen der Erhaltung der Kulturlandschaft und deren nachhaltigen Nutzungsweise hervor hob. Im Anschluss richtete Bernd Merscher, als Vorsitzende des BDZ, seine Grußworte an die Teilnehmenden und stellte zudem aktuelle Neuigkeiten aus dem Bereich der deutschen Ziegenhaltung sowie der Aktivität des BDZ vor. Ihm folgte Werner Neumann, dem 1. Vorsitzenden des Landesverbands der Schafhalter/Ziegenhalter und Züchter Rheinland-Pfalz e.V.. Der Verband und das Hofgut Neumühle arbeiteten bereits vor der Einführung der neuen Tagung sehr eng zusammen, indem sie eine Vielzahl von gemeinsam Lehrgängen entwickelten und durchführten. Zudem bietet der Verband ein breites Angebot für seine Mitglieder an, welches von der Interessensvertretung im politischen Rahmen, über die Vermittlung von Zuchttieren hin zu Auktionen und der Durchführung von Lehrfahrten reicht.

 

Die Vortragsreihe der Tagung eröffnete Dr. Henrik Wagner, Facharzt für kleine Wiederkäuer und Neuweltkameliden sowie Wissenschaftler an der tierärztlichen Klinik der Justus-Liebig-Universität Gießen. Thema seines Vortrags war "Tierwohl beim kleinen Wiederkäuer". Zu Beginn legte er die Grundlagen, indem er den Begriff Tierwohl definierte als "die Bezeichnung für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Tieren, insbesondere von Nutztieren". Dies umfasst sowohl die körperliche Gesundheit, die Ausführbarkeit natürlicher Verhaltensweisen als auch das emotionale Wohlbefinden. Inwiefern dieses in den Haltungen von kleinen Wiederkäuern zutrifft, lässt sich durch tierbezogene Indikatoren (bspw. Lahmheiten, Verhaltensmuster), ressourcenbezogene Indikatoren (bspw. Haltungsformen oder Platz) und managementbezogene Indikatoren (bspw. Durchführung von schmerzhaften Eingriffen) einschätzen. Um dies praktisch zu verdeutlichen, berichtete er über aktuelle Problemfelder im Bereich Tierwohl beim kleinen Wiederkäuer, wobei er die Ausführungen durch Beispiele aus seiner Tätigkeit als Gerichtsgutachter und Tierarzt veranschaulichte. Möglichkeiten der Verbesserung sieht er insbesondere in der Entwicklung von Leitlinien, einer engeren Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt, der Vernetzung von Ämtern sowie in gemeinsamen Veranstaltungen wie der aktuellen.

 

Thematisch anschließend übernahm Dr. Deborah Niklas das Wort. Sie arbeitet am Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz in dem Projekt "Gesundheitsdienst für Kleine Wiederkäuer". Das bis 2025 verlängerte Projekt unterstützt Halter unter anderem durch das Pseudotuberkulose-Monitoring, Empfehlungen und Beratungen zur Parasitenbekämpfung sowie bei der Vorbeugung, Früherkennung und Bekämpfung von Zoonosen und Infektionskrankheiten. Im Rahmen ihres Vortrags stellte sie die Pseudotuberkulose beim kleinen Wiederkäuer detailliert vor. Diese ist eine verbreitete, unheilbare Infektionskrankheit, die unter anderem zu einer Minderung der Milchleistung, einer Abnahme der Kondition und letztendlich zu Tierverlusten führen kann. Daher ist es für Halter von großer Bedeutung, die Krankheit früh zu erkennen, beispielsweise an Abszessbildung in Lymphknoten, und schnell Maßnahmen zu ergreifen. Ist die Krankheit nachgewiesen, besteht die einzige effektive Bekämpfungsstrategie darin, infizierte Tiere schnell zu identifizieren und aus der Herde zu entfernen.

 

Den Vormittag rundete Dr. Jason Hayer, stellvertretender Einrichtungsleiter des Hofguts Neumühle, mit dem Thema Hitzestress beim kleinen Wiederkäuer ab. Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels ist damit zu rechnen, dass die Temperaturen auch in Deutschland in den kommenden Jahren steigen werden. Kleine Wiederkäuer sind in dieser Hinsicht gut aufgestellt, da sie mit Temperaturen von 25 – 30 °C noch ohne starke Auswirkungen zurechtkommen. Trotzdem führen wärmere klimatische Bedingungen auch bei kleinen Wiederkäuern zu negativen Folgen wie Leistungseinbußen, einer Abnahme der Fruchtbarkeit sowie einer Änderung des Stoffwechsels und des Verhaltens. Halter können aktiv vorbeugen, indem sie Schatten anbieten, insbesondere durch Bäume, ausreichend Wasser bereitstellen und die Ration anpassen. Dr. Hayer verwies zudem auf den positiven Effekt der Nutzung von PV-Anlagen oder Agroforstsystemen hinsichtlich des Wohlbefindens von Schafen und Ziegen.

 

Dr. Sandra Köhnke, die Spartenleiterin Futtermittel bei der RWZ, stellte eine weitere alternative Nutzungsform von kleinen Wiederkäuern vor, nämlich die Beweidung von Zwischenfrüchten. Sie erläuterte den Nutzen und das Management dieser Form der Beweidung. Zwischenfrüchte sind in der Regel hoch verdaulich, strukturarm und gegebenenfalls stickstoffreich, weshalb eine genaue Beobachtung und eine langsame Heranführung der Tiere notwendig sind. Zudem stellte sie eine Vielzahl von verschiedenen Sorten vor, die sowohl aus Sicht der Tiere als auch der Ackerbauern lohnenswert sind. Schlussendlich bietet es sich jedoch an, eine Mischung von Früchten zu nutzen, um eine ausgeglichene Nährstoffversorgung sicherzustellen und die Bodenfruchtbarkeit zu fördern.

 

Der Nachmittag wurde mit Vorträgen von Unternehmen und Praktikern abgeschlossen: dsp agrosoft (Alina Natz), Betriebsleiterin Manuela Holtmann (Vulkanhof) und patura (Siegbert Lamparter). Die Anforderungen an Schaf- und Ziegenhalter steigen sowohl aus Management- als auch aus Dokumentationssicht stark an. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden und das Herdenmanagement zu vereinfachen, bietet dsp agrosoft das Produkt "SCHAFpc" an, ein Herdenmanagementsystem, das viele Erleichterungen bieten kann. Manuela Holtmann (Gewinnerin des Ceres Awards 2022) zeigte am Beispiel ihres Betriebs auf, wie vielfältig Schafe und ihre Produkte genutzt werden können. Die Milch und das Fleisch der Ziegen werden komplett direkt über den eigenen Hofladen und den Online-Shop vermarktet, und die Ziegen finden auch in der Bauernhofpädagogik, bei Ziegenwanderungen und sogar bei Kindergeburtstagen ihren Einsatz. Siegbert Lamparter (patura) erläuterte den Teilnehmenden sehr anschaulich die Funktionsweise von Elektrozäunen und worauf bei der Installation zu achten ist. Im Anschluss fand zudem eine praktische Demonstration auf den Flächen der Neumühle statt.

 

Nach der Tagung ist vor der Tagung, daher freut sich das Team des Hofguts Neumühle bereits darauf, Sie zur 2. Neumühler Schaf- und Ziegentagung am 14.09.2024 begrüßen zu dürfen.

 

 

 

Bild zur Meldung: Praktische Demonstration der Funktionsweise von Elektrozäunen der Firma patura bei der 1. Neumühler Schaf- und Ziegentagung.