Abschluss des Projekts „KiWi RLP – Kälber in Wert setzen“
Abschluss des Projekts „KiWi RLP – Kälber in Wert setzen“
Einblicke, Erkenntnisse und neue Perspektiven für die Kalbfleischvermarktung in Rheinland-Pfalz am Hofgut Neumühle
Mit einer vielfältigen Abschlussveranstaltung am 12.06.2025 auf dem Hofgut Neumühle ist das dreijährige EIP-Agri-Projekt „KiWi RLP – Kälber in Wert setzen in Rheinland-Pfalz“ offiziell zu Ende gegangen. Ziel des Projekts war es, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Kälberhaltung zu stärken und praktikable Ansätze für eine wertentsprechende Vermarktung von Kalbfleisch in Rheinland-Pfalz zu entwickeln. Präsentiert wurden die Ergebnisse von Vertreterinnen und Vertretern der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz sowie externen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Ergebnisse umfangreicher Erhebungen unter Verbraucherinnen und Verbrauchern, Metzgereien und Tierhaltenden. Dabei wurde deutlich: Die Nachfrage nach Kalbfleisch ist vorhanden – zumindest, wenn Tierwohl, Herkunft und Qualität transparent kommuniziert werden. So gaben rund 75 Prozent der 682 befragten Konsumentinnen und Konsumenten an, dass ihnen das Tierwohl beim Kalbfleischkauf besonders wichtig ist. Doch sobald Preisunterschiede ins Spiel kommen, sinkt die Nachfrage drastisch. Während sich bei gleichem Preis noch 40 Prozent für Kalbfleisch entscheiden würden, sind es bei realistischen Marktpreisen nur noch 12 Prozent. Hohe Preise und bestehende Bedenken hinsichtlich der Tierhaltung bleiben zentrale Hemmnisse.
Auch bei den befragten Metzgereien – 89 an der Zahl – zeigt sich ein klares Bild: Kalbfleisch ist für viele kein lohnendes Produkt mehr. Die Nachfrage ist schwach, insbesondere außerhalb der Feiertage. Lediglich Edelteile finden noch Absatz. Zudem macht der Preiskampf mit dem Lebensmitteleinzelhandel vielen Betrieben zu schaffen. Zwar wurden alternative Vermarktungsstrategien wie Kochkurse oder gezielte Kundenansprache grundsätzlich als sinnvoll erachtet, doch der hohe Zeitdruck im Tagesgeschäft verhindert häufig deren Umsetzung. Als vielversprechend wurde hingegen die verstärkte Aufklärungsarbeit über Herkunft, Haltung und Alter der Tiere gesehen.
Ein weiteres Thema des Projekts war die Optimierung der Kälberaufzucht. Projektmitarbeiterin Christiane Reif-Lanser berichtete über die zunehmende Nutzung von gesextem Sperma auf rheinland-pfälzischen Milchviehbetrieben. Diese Maßnahme erlaubt es, die Zahl männlicher Kälber gezielt zu steuern – ein wichtiger Aspekt in der wirtschaftlichen Planung der Betriebe. Rund 80 Prozent der befragten Betriebe nutzen diese Methode mittlerweile. Ergänzend präsentierte Dr. Jason Hayer Ergebnisse einer Untersuchung auf dem Versuchsgut Neumühle, bei der verschiedene Fleischrassen in der Anpaarung getestet wurden. Dabei zeigte sich, dass insbesondere männliche Kälber von Rassen wie Inra 95 oder Aberdeen Angus deutlich höhere Erlöse erzielten als ihre HF-Kollegen – ein Ansatz mit konkretem ökonomischem Potenzial.
Die Haltungsbedingungen und deren Auswirkungen auf die Tiergesundheit und Leistungsfähigkeit standen ebenfalls im Fokus. Prof. Dr. Dörte Frieten von der Technischen Hochschule Bingen und Dr. Jason Hayer erläuterten anhand aktueller Studien die Bedeutung sozialer Haltungsformen. Kälber, die von Anfang an in Paar- oder Gruppenhaltung aufwachsen, entwickeln nicht nur bessere kognitive Fähigkeiten, sondern zeigen auch langfristig Vorteile in Milchleistung und Verhalten. Diese Ergebnisse werfen ein neues Licht auf bestehende Haltungspraktiken und zeigen, dass Tierwohl und Wirtschaftlichkeit sich nicht ausschließen müssen.
Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus lieferte Tierarzt Dr. Peter Zieger (Förster-Technik GmbH), der in seinem Vortrag „Kälberhaltung weltweit“ von seinen Besuchen auf Betrieben in Kanada, China, den USA und Neuseeland berichtete. Besonders beeindruckend war der hohe Standard in Bezug auf Platzangebot, Fütterung und Hygiene. In den besten Betrieben steht den Kälbern dort doppelt so viel Platz zur Verfügung wie in deutschen Ställen. Auch werden sie häufig mit deutlich höheren Milchmengen versorgt – was sich in besseren Tageszunahmen und seltenerem Medikamenteneinsatz niederschlägt. Zudem verdeutlichte Zieger das bislang ungenutzte Potenzial in der Nutzung von Gesundheitsdaten, etwa über den Immunoglobulin-Gehalt im Blut als Indikator für Kolostrumaufnahme und spätere Milchleistung.
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Betriebsbesichtigung bei Patrick Mohr in Dörrmoschel. Der Milchviehhalter gewährte praxisnahe Einblicke in seine Kälberaufzucht, die sowohl konventionelle als auch moderne Elemente vereint. So erhalten weibliche Kälber ad libitum angesäuerte Rohmilch, während männliche Kälber restriktiv getränkt werden. Seit Kurzem wird die Vergütung der Bullenkälber auf Basis des Lebendgewichts vorgenommen. Dieser in Ansatz wird vom Betriebsleiter als fairer und transparenter bewertet.
Das KiWi-Projekt hat gezeigt: Kalbfleisch ist zwar derzeit ein „Problemfall“ in der Vermarktung, bietet aber bei gezielter Aufklärung, optimierter Haltung und innovativer Direktvermarktung zahlreiche Potenziale. Eine Kombination aus betrieblicher Weiterentwicklung, regionalen Vermarktungsinitiativen und politischer Unterstützung könnte dazu beitragen, den Wert von Kälbern – wirtschaftlich wie ethisch – wieder stärker in den Fokus zu rücken.
Einen detaillierteren Bericht der Veranstaltung von Lisa McKenna finden Sie in der aktuellen Ausgabe des „Landwirtschaftliches Wochen Blatt“.
Bild zur Meldung: Referenten der Abschlussveranstaltung KiWi RLP (Foto: Heinrich Schulte